Seit 1972 findet die Pitti Uomo – heute Pitti Immagine Uomo – zweimal jährlich in Florenz statt und hat sich zur wichtigsten internationalen Plattform für Herrenmode entwickelt. Wo früher ausschließlich italienische Maßanzug-Kunst und avantgardistische Luxusmarken dominierten, zeigt sich heute ein deutlich vielfältigeres Bild.
1999 markierte einen Meilenstein: Die deutsche Traditionsmarke Hugo Boss präsentierte erstmals auf dem Forte Belvedere ihre Frühjahr/Sommer-Kollektion für 2000 – mit großer medialer Aufmerksamkeit. Seitdem ist die Präsenz deutscher Aussteller kontinuierlich gewachsen. Bei der Pitti Uomo #106 (Juni 2024) wurde ein merklicher Zuwachs an deutschen Ausstellern und Einkäufern verzeichnet. Deutschland gehört inzwischen zu den führenden Besuchernationen.
Ein spannender Aspekt ist die zunehmende Beteiligung von mittelpreisigen deutschen Marken wie Club of Comfort, Meyer Hosen, Carl Gross oder Digel. Marken also, die traditionell eher im soliden Fachhandel als auf einer avantgardistischen Modemesse verortet sind. Was also hat sich geändert?
Längst ist die Pitti nicht mehr ausschließlich Bühne für sartoriale Couture. Sie hat sich geöffnet – mit Segmenten wie Futuro Maschile oder Dynamic Attitude – und will ein realistisches Bild des internationalen Männermodemarkts zeigen. Hier finden auch funktionale, tragbare und kommerziell erfolgreiche Marken ihren Platz.
Mit dem Rückgang kleinerer regionaler Messen konzentriert sich die Branche auf wenige funktionierende Leitveranstaltungen – und die Pitti gehört definitiv dazu. Mittelgroße Hersteller wie Digel oder Carl Gross haben keine bessere Alternative, um mit internationalen Einkäufern in Kontakt zu kommen.
Marken wie Carl Gross oder Digel bieten zuverlässige Produktion, moderne Optik und Liefersicherheit – Faktoren, die für viele Händler wichtiger geworden sind als „reiner Luxus“. Die Messe lebt heute von genau dieser Mischung: High-End-Design trifft auf bodenständige Qualität.
Würde sich Pitti künftig wieder ausschließlich auf italienische Marken oder luxuriöse High-End-Labels beschränken, wäre fraglich, ob sie ihre internationale Anziehungskraft aufrechterhalten könnte. Die Messe lebt heute von einem ausgewogenen Mix aus Innovation, Modekultur und Handelsrelevanz – und genau deshalb sind deutsche Hersteller ein wichtiger Bestandteil dieses Konzepts.
Seit Hugo Boss' Debüt 1999 hat sich die Pitti Uomo von einer Luxusbühne zu einer internationalen Handelsplattform entwickelt. Mittelpreisige deutsche Hersteller wie Digel, Meyer oder Club of Comfort sind kein Widerspruch zur Marke Pitti – sondern Ausdruck ihrer Weiterentwicklung. In einer schrumpfenden Messelandschaft ist diese Vielfalt ihre Stärke. Luxus ohne Volumen funktioniert ebenso wenig wie Volumen ohne Vision.